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Gute Geschichten für Europa - Narrative im Realitätscheck

08.05.2024

Ein Narrativ ist eine Erzählung, die eine Abfolge von Ereignissen oder Handlungen darstellt, oft mit einer bestimmten Botschaft oder einem Zweck. Im politischen Kontext dienen Narrative häufig dazu, eine Vision für eine Gesellschaft basierend auf politischen Ideen, Agenden und Werten zu vermitteln. Sie können die Wahrnehmung von Politik und die Überzeugungen der Menschen stark beeinflussen und sind daher sowohl relevant für den Erhalt von Werten und gesellschaftlichen Verhältnissen als auch für deren Wandel. Aufgrund der Wirkungsmacht von Narrativen im Kontext von Europa im Allgemeinen und konkret der Europawahl standen Narrative und ihre Nutzung im Fokus der Veranstaltung im Europa HUB am 24. April 2024. Ziel der Veranstaltung war es, die eigenen Narrative rund um Europa zu hinterfragen und ein kritisches Verständnis zu entwickeln.

Ambivalente Wahrnehmung der Europäischen Union

Um aktuelle pro-europäische Narrative einem Realitätscheck zu unterziehen und ihre Anschlussfähigkeit zu prüfen, lieferte Sarah Wohlfeld, Senior Projektmanagerin bei der gemeinnützigen Forschungsorganisation More in Common Deutschland, wichtige Erkenntnisse mit ihrer Vorstellung einer aktuellen Studie zur Stimmung in Deutschland vor der Europawahl. Die Studie untersuchte auf Basis von Befragungen von 2.256 Menschen ab 18 Jahren in Deutschland im Februar 2024 die Wahrnehmung der Europäischen Union (EU) und der Wahlen zum EU-Parlament unter besonderer Berücksichtigung der Themen Klimawandel und Migration. Die Studie zeigt, dass die Mehrheit der Befragten die EU-Mitgliedschaft als positiv bewertet und die EU – besonders in von Krisen geprägten Zeiten – als Notwendigkeit sieht. Es wird jedoch auch deutlich, dass wenig wirkliche Begeisterung für Europa besteht und viele Befragte Defizite und deutlichen Änderungsbedarf sehen. Zwei häufige Eigenschaften, mit denen die EU assoziiert wird, sind „bürokratisch“ und „notwendig“. „Nur knapp ein Viertel der Menschen hat das Gefühl, dass die EU die Alltagsrealität der meisten Deutschen versteht“, erklärte Sarah Wohlfeld die Ergebnisse. Zusätzlich verdeutlichen die Ergebnisse, dass das Thema Migration auch vor der Europawahl für die Menschen in Deutschland zentral ist. Die Herausforderung besteht darin, vorherrschende negative Narrative zur Migration umzudrehen, Ängste und Sorgen ernst zu nehmen und Positives hervorzuheben. In der Debatte kann beispielsweise an Themen wie Kontrolle, Integration und Sicherheit angeknüpft werden.

Herausforderungen beim Geschichten Erzählen

Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde diskutiert, welche Geschichten in den Arbeitskontexten zu Europa erzählt werden, welche Herausforderungen bestehen und welche Anknüpfungspunkte für zukünftige Kommunikation aus den Studienergebnissen resultieren. Eine Herausforderung bei Narrativen zu Europa ist, Europa von der abstrakten auf die Alltagsebene zu bringen. Besonders deutlich wurde, dass „Europa ist toll“-Botschaften allein nicht ausreichen und für viele Menschen nicht anschlussfähig sind. Es braucht auch in den Narrativen der Europa-Akteure mehr Mut, Kritik an der EU zu thematisieren und diese nicht den rechtspopulistischen Kräften zu überlassen. Es ist wichtig, die derzeitige Krisenstimmung ernst zu nehmen und Verständnis für die Lebensrealität der Menschen zu vermitteln. Dabei kann es helfen, die Selbstverständlichkeit der EU aufzubrechen und auf praktische Errungenschaften im Alltag hinzuweisen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass eine Art „Baukasten“ für Narrative sinnvoll wäre, da es für unterschiedliche Zielgruppen angepasste Ansprachen und Geschichten braucht.

Studie: More in Common Deutschland (2024): Die Stimmung in Deutschland vor der Europawahl